BIOGRAPHIEN

Exilanten am Niederrhein

Mit dem Edikt von Potsdam vom 8. November 1685 gewährte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg reformierten Glaubensflüchtlingen aus Frankreich Aufnahme in seinen Ländern und versprach ihnen besondere Vergünstigungen.

Die Exilanten wurden nach einem ursprünglichen französischen Spottwort „Hugenotten“ genannt, oft auch einfach als „Refugiés“ (Flüchtlinge) bezeichnet. Etwa 18.000 von ihnen fanden während der nächsten 20 Jahre in Brandenburg-Preußen eine neue Heimat. Die Hugenotten führten über 40 neue Berufszweige ein, gründeten die ersten Manufakturen und fanden schnell Zugang zu gehobenen Positionen in Militär, Wissenschaft und Verwaltung.

Ein Teil des Flüchtlingstransfers lief über den Niederrhein, wo auch in Kleve, Emmerich und Wesel französische „Kolonien“ entstanden. In Wesel befand sich die zahlenmäßig stärkste mit 717 Mitgliedern im Jahre 1697. Etliche davon waren beim Aus- und Neubau der Festung beschäftigt, den noch der Große Kurfürst 1687 angeordnet hatte. Hier entstand unter finanzieller Beteiligung des niederländischen Bündnispartners in den nächsten 40 Jahren die seinerzeit größte Festung Brandenburg-Preußens - als Sperrriegel gegen die Expansionsbestrebungen Ludwigs XIV. von Frankreich, der den Hugenotten die Glaubensfreiheit aufgekündigt hatte.

Die Festung wurde ganz nach der modernen französischen Schule des Marschalls Vauban gebaut, denn auch die ersten drei verantwortlichen Baumeister waren allesamt „Refugiés“. Der dritte und bedeutendste unter ihnen war der Architekt, Ingenieur- und Artillerieoffizier Jean de Bodt (1670-1745), der die Festungswerke mit repräsentativ-dekorativen Gebäuden versah („Berliner Tor“, 1718-1722).

De Bodt gehörte auch der 1700 von Kurfürst Friedrich III. gegründeten „Societät der Wissenschaften“ in Berlin an, deren bis 1701 aufgenommene Mitglieder zu einem Viertel Hugenotten waren. Kein Sozietätsmitglied, aber ein Historiker von europäischem Rang war der seit 1707 ebenfalls in Wesel lebende Paul de Rapin de Thoyras (1661-1725), der hier sein Monumentalwerk über die englische Geschichte verfasste.

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Louis de Silvestre, Bildnis des Jean de Bodt, 1729, Öl auf Leinwand, Gemäldegalerie Alte Meister © Staatliche Kunstsammlungen Dresden