BIOGRAPHIEN
Beleidigungen
Der „Soldatenkönig“ und sein Nachfolger waren auf die männliche niederrheinische Aristokratie nicht gut zu sprechen. Besonders in ihren geheimen politischen Testamenten nahmen sie kein Blatt vor den Mund. So bescheinigte Friedrich Wilhelm I. 1722 den klevischen Adligen, sie seien „dume Oxen aber maliciös [bösartig] wie der deuffel. Auf ihre Privilegia sein sie sehr gesteuret [bedacht]“. Überhaupt, „die Nacion ist sehr intrigandt und fals dabey und sauffen wie die bester [Biester] mehr wissen sie nichts…“ Auch die Nachbarn kommen nicht besser weg. „Wahs die Mörsische Landt und gelders sein wie die Klewer aber sehr gut Hollendis wie auch die Klewer beßer Hollendis und Kayserlich seyn als Preussis.“
Friedrich der Große setzte 1752 noch einen drauf: „Die Klever sind Dummköpfe, wirr und im Rausche ihrer Väter gezeugt, die weder natürliche Talente noch erworbene Kenntnisse besitzen.“
Diese abfälligen Urteile mögen auf einzelne Exemplare zugetroffen haben, aber natürlich war der klevische, mörsische und geldrische Adel insgesamt nicht weniger kultiviert und gebildet als der brandenburgische und pommersche. Hinter den Beleidigungen steckte vielmehr der Unmut darüber, dass der niederrheinische Adel sich nur in geringem Maße in den königlichen „Staatsdienst“ bei Militär und Verwaltung nehmen ließ.
Man blieb hier noch stark einer alten, niederländisch-rheinischen Adelslandschaft und -kultur verbunden, die sich über Staatsgrenzen hinweg dem traditionellen, freieren Bezugsraum von Kaiser und Reich zugehörig fühlte. Dagegen fremdelte man mit einer neuen, engen Dienst- und Pflichtethik, die alte Standesprivilegien geringer wertete als so bürgerliche Kriterien wie Qualifikation und Leistung.
Die Schmähreden der Monarchen künden jedoch nicht nur von Distanz und Entfremdung zum einheimischem Adel. Sie lassen darüber hinaus auch die Enttäuschung darüber anklingen, dass die niederrheinischen Provinzen generell den zentralen Integrationsinstrumenten von Militär, Verwaltung und Staatswirtschaft zunehmend entglitten.
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