BIOGRAPHIEN
Verhör in Wesel - Ein Akt des preußischen „Königsdramas“ am Niederrhein
Am 12. August 1730 trafen König Friedrich Wilhelm I. und sein ältester Sohn in Wesel ein. Der 18-jährige Thronfolger Friedrich hatte den Vater auf einer Reise zu süddeutschen Fürstenhöfen begleitet und einige Tage zuvor bei Heidelberg einen Fluchtversuch unternommen. Der König war vorgewarnt, man behielt den Kronprinzen im Auge, und der Versuch scheiterte. Mit ihm auch die Hoffnung, sich dem rigiden, militärisch-pietistischen Erziehungskonzept des Königs, den fortgesetzten Verweisen, Demütigungen und Züchtigungen zu entziehen.
Friedrich Wilhelm I. schien noch bereit, Milde walten zu lassen. Da erreichte ihn am Mittag des 12. August in Geldern die fatale Nachricht, dass der Leutnant Peter von Keith, ein Freund des Kronprinzen, aus der Festung Wesel desertiert und in die Niederlande entkommen sei. Eben jenen Keith hatte der König von Berlin nach Wesel versetzt, weil ihm dessen Umgang mit seinem Sohn missfiel. Der schien sich seine Freunde gerade in jenen aristokratischen Kreisen zu suchen, die noch einer älteren Adelskultur anhingen und sich dem vom König verordneten Sozial- und Dienstmodell nicht anpassten. Nun ist Friedrich Wilhelm I. von einer förmlichen Verschwörung überzeugt, in der sich sein Sohn mit einigen Offizieren gegen ihn verbunden hat.
Der Kronprinz wird in Haft gesetzt und noch am gleichen Abend in Wesel im Hause des Gouverneurs von der Mosel einem brutalen Verhör unterzogen. Dabei schlägt der König seinem Sohn mit dem Stock ins Gesicht und reißt ihm den Degen von der Seite. Friedrich gibt zwar das eigentliche Fluchtziel England nicht preis, benennt jedoch einen weiteren Freund und Mitwisser des Fluchtplans: Hans Hermann von Katte, Leutnant im Regiment Gens d’armes.
Noch in der Nacht erlässt Friedrich Wilhelm I. von Wesel aus den Haftbefehl gegen Katte in Berlin. Der wird schließlich enthauptet, Keith entkommt über Den Haag nach England, Friedrich unterwirft sich vollständig dem väterlichen Willen, schwört Gehorsam und wird nach einem zweijährigen „Bewährungsdienst“ wieder in seine Rechte als Thronfolger eingesetzt. Als König Friedrich II. war er während seiner 46 Regierungsjahre noch sechs Mal in Wesel, mit dem ihn traumatische Erinnerungen verbanden.
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