Der Fall Fonk und das Französische Recht in der Rheinprovinz

Deutsche Ausgabe des Code Napoléon für das Großherzogtum Berg, Titelseite, Düsseldorf 1810,
LVR-Niederrheinmuseum Wesel

Die Geschworenen sprachen am 9. Juli 1822 den Kölner Kaufmann Peter Anton Fonk (1780-1833) schuldig des Mordes am Kaufmann Wilhelm Coenen (1788-1816) aus Krefeld. Mit dem nachfolgenden Todesurteil am 9. Juli 1822 nahm vor dem Schwurgericht in Trier nach 40 Sitzungstagen ein Indizienprozess sein Ende, der als erster überhaupt eine deutsche Öffentlichkeit beschäftigt hatte.

Fonk hatte mit einem Krefelder Geschäftspartner im Streit gelegen und sollte in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1816 den mit Prüfung der Unterlagen beauftragten Coenen umgebracht haben, um Betrügereien nicht ans Licht kommen zu lassen.  Die Untersuchung wurde 1818 an die Justiz in Trier überwiesen, wo es erst im dritten Anlauf im Juli 1821 zur Anklage vor dem dortigen Schwurgericht kam. König Friedrich Wilhelm III. verfügte 1823 sensationell die Aufhebung des Urteils und die Entlassung Fonks in die Freiheit.  

Sehr wahrscheinlich korrigierte der preußische König auf Zuraten seines Justizministers von Kircheisen damit ein Fehlurteil und rettete einem Unschuldigen das Leben. Die Anklage hatte sich auf schwache Indizien gestützt sowie auf das äußerst zweifelhafte und später widerrufene „Geständnis“ eines angeblichen Tatgehilfen. An der Leiche Coenens, die erst einen Monat nach seinem Verschwinden aus dem Rhein geborgen wurde, konnte keine eindeutige Todesursache festgestellt werden. Es fehlten auch ein Geständnis Fonks, Tatzeugen und Tatmotiv, denn eine behördliche Prüfung der Geschäftsunterlagen des Verdächtigen ergab keine Unregelmäßigkeiten.

Seinerzeit galt vorläufig weiterhin das napoleonische Rechts- und Gerichtssystem im größten Teil der Rheinprovinz(en). Eine 1819 erfolgte Reform der Gerichtsorganisation hatte inzwischen mit dem Revisions- und Kassationshof in Berlin ein neue staatliche, und darunter mit dem Kölner Appellationsgerichtshof eine provinziale Höchstinstanz für das Rheinische Recht geschaffen, mit wiederum sechs Landgerichten darunter. Bis zu einer künftigen gesamtstaatlichen Justizrevision sollte es dabei bleiben.

Nach der preußischen Strafprozessordnung erhielten alle Urteile auf Todes- oder lebensIange Freiheitsstrafe erst durch die Bestätigung des Monarchen ihre Rechtskraft. Das Französische Recht aber gestand dem Staatsoberhaupt nur ein Begnadigungsrecht zu. Der „Fall Fonk“ befeuerte nun die nie eingeschlafenen Debatten um gesamtstaatlich altpreußische oder separate französische Rechtsordnung in der Rheinprovinz. Die Befürworter der ersten Option sahen durch den Fonk-Prozess ihre Vorbehalte gegen die Emotionen öffentlicher Verhandlungen und die Urteilsfindung durch Laien bestätigt, während die rheinischen Bürger gerade diese als unabdingbar für die Aufrechterhaltung eines freiheitlichen Rechtswesens betrachteten.

Am königlichen Bestätigungsrecht kamen die Rheinländer nicht vorbei. Aber abgesehen davon, blieb das Rheinische Recht weiterhin in Geltung und wurde zu einem Signum des Sonder- und Selbstbewusstseins der Provinz. Wesentliche seiner Bestandteile wurden seit 1848 in die erneuerte preußische und seit 1871 auch in die reichsdeutsche Rechts- und Gerichtsordnung übernommen. Erst das zum 1. Januar 1900 in Kraft getretene BGB ersetzte endgültig das Zivilrecht des Code Napoléon. Teile haben sich bis heute erhalten, so in NRW auf dem linken Rheinufer in der strikten beruflichen Trennung von Notariat und Rechtsanwaltschaft.

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Karte: Die Rheinlande nach 1815
Die Rheinlande nach 1815 © Irmgard Hantsche