Die Martinkirmes

Um die Martin- oder Brigittenkirmes, die vom 3. bis zum 4. August 1846 stattfand, entlud sich das unterschwellige Spannungsverhältnis zwischen dem preußischen Militär und der zivilen Bevölkerung. Auf dem traditionellen Kölner Kirchweihfest kam es auf dem Alter Markt zu blutigen Ausschreitungen von Soldaten. Bereits in der Vergangenheit stand die preußische Regierung dem Kölner „Kirmesunfug“ misstrauisch gegenüber, da die mitunter unruhigen Feierlichkeiten als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung gesehen wurden. Für die Mauritius- und Pantaleonkirmes im Jahr 1844 hatte die Regierung daher bereits tausende Soldaten abkommandiert, die für „Ruhe und Ordnung“ sorgen sollten. 

Nachdem die vorwiegend aus den Unterschichten stammenden Besucher der Martinkirmes Feuerwerksraketen steigen ließen und Polizisten mit Obst bewarfen, eskalierte der Einsatz der herbeigerufenen Infanteriekompanie. Die Soldaten räumten den Platz und schlugen unter anderem mit Säbeln auf Kirmesbesucher ein, die sich bereits auf dem Heimweg befanden.

Um weitere Ausschreitungen zu verhindern, entschieden der Kölner Polizeidirektor Arnold Mathias Heister und Generalleutnant Friedrich Freiherr von der Lundt, am darauffolgenden Abend den Alter Markt durch Militär zu besetzen. Musik wie Tanz wurden verboten und Wirtshäuser mussten zu vorgezogener Stunde schließen. Das Militär scheiterte allerdings daran den Alter Markt von Menschenmassen freizuhalten, als Bürgerinnen und Bürger nach dem Besuch eines Feuerwerks auf der Rheinauinsel den Platz überqueren wollten. Erneut kam es zu heftigen mündlichen und körperlichen Auseinandersetzungen zwischen der Bürgerschaft und den Soldaten. Die Infanteristen und die herbeigerufenen Dragoner aus Deutz versuchten die Menschenmassen zurückzudrängen und reagierten dabei mit unverhältnismäßiger Gewalt. Die Bilanz des zweiten Kirmestages waren mehrere Schwer- und Leichtverletzte und ein Todesopfer. Der Fassbindergeselle Heinrich Statz wurde beim Überqueren des fast leeren Alter Marktes von einem Infanteristen mit dem Bajonett erstochen. 

Der Leichenzug und die Bestattung von Heinrich Statz samt Grabreden am 6. August wurden von bekannten Kölner Demokraten vorbereitet und inszeniert (Franz Raveaux, Carl d’Ester). Sie entwickelten sich zu einer Demonstration gegenüber dem Militär und der preußischen Regierung. Tausende Bürgerinnen und Bürger schlossen sich dem Trauerzug an. Als sich auch Militär zeigte, rief dies Empörung in der Bevölkerung hervor. 

Die Ereignisse der Martinkirmes wurden schnell zu einem Politikum. Der Kölner Regierungspräsident und Generalleutnant von der Lundt sahen die Verantwortung auf Seiten der Bürgerschaft. Die Kölner beharrten wiederum auf einer Untersuchung und einer Richtigstellung der Geschehnisse. Forderungen nach einer Bürgerwehr wurden laut, was die Staats- und Militärbehörden schließlich auch gestatteten. Die Kölner Stadtverordneten veranlassten eine Immediateingabe und wandten sich schriftlich an den preußischen König. Friedrich Wilhelm IV. allerdings hielt das Eingreifen der Soldaten für berechtigt. 

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Foto: Frühe Version der „Pickelhaube“
Frühe Version der „Pickelhaube“, M 1843, Preußische Gardeinfanterie, Leder, Gelbmetall, Gardestern Neusilber © LVR-Niederrheinmuseum Wesel