Frühe Sparkassen in der Rheinprovinz
Die Gründung der ersten deutschen Sparkassen in kommunaler Trägerschaft zu Anfang des 19. Jahrhunderts verfolgte zunächst das soziale Anliegen, Angehörigen unterbürgerlicher Schichten eine bescheidene finanzielle Vorsorge zu ermöglichen. Zugleich sollten die kommunale Armenfürsorge entlastet und Handwerksgesellen, Dienstboten, Arbeiter und Tagelöhner sowie deren Familien zu einer gemäßigten, sparsamen Lebensführung und Eigenverantwortlichkeit „erzogen“ werden. In diesen Zielsetzungen berührten sich Motive obrigkeitlich-patriarchalischer Sozialpädagogik, erwerbsbürgerliche Ideale und soziale Probleme der Vorindustrialisierung. In Preußen, wo seit der Stein’schen Städteordnung 1808 die kommunale Selbstverwaltung etabliert war, fand das Modell in der höheren Beamtenschaft verbreiteten Anklang.
Die ersten Gründungen in der Rheinprovinz erfolgten noch unkoordiniert im Zusammenspiel von lokalen und administrativen Initiativen. Die Bezirksregierungen empfahlen Institute in kommunaler Trägerschaft nach dem Vorbild der 1818 eröffneten „Berlinischen Sparkasse“. So entstand nach der ersten „Leihhausanstalt und Sparkasse“ in Elberfeld (1822) fast zeitgleich eine Sparkasse in Koblenz (1822), bald darauf gefolgt von Trier, Kleve und Düsseldorf (1825), Köln (1826), Wesel (1827) und Aachen (1829). Die Kombination von Leihhaus und Sparkasse war ein gängiges Modell, da die Fonds der Sparkassen den städtischen Leihhäusern zur Verfügung standen. Das wegweisende preußische „Sparkassen-Reglement“ von 1838 dann entkräftete noch weithin bestehende kommunale und privatwirtschaftliche Bedenken.
Die erste gesetzliche Grundlage des deutschen Sparkassenwesens legte Rahmenbedingungen für Errichtung und Betrieb fest und regelte die Aufsicht durch Regierungen und Oberpräsidenten und beförderte zwischen 1840 und 1860 eine neue Welle von Gründungen. Die Sparkassen der Rheinprovinz stellten bereits um 1840 etwa ¼ aller entsprechenden Spareinlagen in Preußen. Große Institute waren die der frühindustriellen Zentren Elberfeld, Barmen und Köln. Getragen vom „Verein zur Beförderung der Arbeitsamkeit“ unterhielt die Aachener Sparkasse früher als andere ein ausgeprägtes Filialsystem im gesamten Regierungsbezirk und wurde 1849 die größte Sparkasse Preußens noch vor der in Berlin. Um 1850 gab es im gesamten preußischen Staat ca. 230 öffentliche Sparkassen in kommunaler Trägerschaft, davon 33 (ungeachtet der Filialen) in der Rheinprovinz.
Zumeist waren die Sparkassen im Rathaus untergebracht, in einem gemeinsamen Kontor mit dem Leihhaus, wo der zuständige Rendant einmal in der Woche die Geschäfte erledigte. Jedoch nutzten lange nicht, wie eigentlich beabsichtigt, besonders die "ärmeren Klassen" das Sparangebot. Die Einleger waren viel eher Bürger mit mittleren Einkommen: Beamte, Gewerbetreibende und selbstständige Handwerker. Gegen Ende des Jahrhunderts fanden sich deutlich zunehmend auch Angehörige der unteren Bevölkerungsschichten an den Schaltern der Sparkassen ein, die nun vielerorts eigene Gebäude oder Geschäftslokale unterhielten. Bis 1913 war ihre Zahl in der Rheinprovinz auf 263 angewachsen.
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