„Rheinprovinz“ –
Innen- und Außenperspektiven
Die folgenden Zitate sind ein Einblick in unterschiedliche Perspektiven von Personen aus dem Verwaltungsgebiet der „Rheinprovinz“ (hellblau) und Vertretern der preußischen Staates (dunkelblau). Sie zeugen von einer Entwicklung der schwierigen Beziehung zwischen der rheinischen Bevölkerung und Preußen.
Anlässlich des ersten Besuchs des Königs Friedrich Wilhelm III., seines Sohnes und seines Staatskanzlers wurden in allen größeren Städten der Rheinprovinz Adressen für den Erlass einer Verfassung ausgearbeitet. Der Stadtrat von Koblenz bestand zu diesem Zeitpunkt aus 15 Repräsentanten der Oberschicht, die bereits in der vorangegangenen französischen Herrschaftsphase im Amt waren. Der amtierende Maire Johann Joseph Mazza (1752–1828), ein Onkel des bekannten Publizisten Joseph Görres, wurde wenige Monate später unter Angabe von sicherheitspolitischen Überlegungen entlassen.
Quelle: Stadtratsprotokoll vom 20.10.1817 unter Stadtarchiv Koblenz 623 2185.
Karl August von Hardenberg (1750–1822) gehörte neben Karl Freiherr von und zum Stein (1757–1831) zu den wichtigsten Reformern innerhalb der preußischen Ministerialbürokratie. Als Staatskanzler nahm er zwischen 1810 und 1822 eine zentrale Vermittlungsposition ein. Seine wohlwollende Antwort vom 31. Januar 1818 auf die Verfassungsadresse des Koblenzer Stadtrats wurde im Protokollbuch aufbewahrt.
Quelle: Stadtratsprotokoll vom 3.2.1818 unter Stadtarchiv Koblenz 623 2185.
Friedrich Ludwig Christian Graf zu Solms-Laubach (1769–1822) war von 1816 bis zu seinem Tod Oberpräsident der Provinz Jülich-Kleve-Berg mit Sitz in Köln. Eine Einschätzung der Stimmung in der Bevölkerung nach den vorangegangenen politischen Umbrüchen gehörte zu seinen Amts- und Berichtspflichten als oberster preußischer Staatsbeamte vor Ort.
Quelle: zit. n. Herres, Jürgen: Die Hohenzollern auf Reisen an Mosel, Rhein und Saar. Zur rheinisch-preußischen Beziehungsgeschichte im 19. Jahrhundert, in: Preußen an der Saar. Eine konfliktreiche Beziehung (1815–1914) hg. von Gabriele B. Clemens und Eva Kell (Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte, Bd. 50), Saarbrücken 2018, S. 43–57, hier S. 47f.
Peter Heinrich Merkens (1777–1854) war einer der einflussreichsten Vertreter des rheinischen Wirtschaftsbürgertums. Er wurde 1831 zum ersten gewählten Präsident der Kölner Handelskammer ernannt und vertrat die Stadt zwischen 1826 und 1845 im rheinischen Provinziallandtag, wo er für liberale Rechtsprinzipien und eine freiheitliche Wirtschaftspolitik eintrat.
Quelle: Originalprotokoll des Landtags, Landeshauptarchiv Koblenz, Bestand 403A Nr. 33 Bd. 2, Eintrag vom 31.12.1833, Bl. 406f.
Wilhelm von Saint Paul (1807–1852) war als Zensor von Köln für die Durchsicht und Kontrolle der Druckwerke, darunter auch für die von Karl Marx redigierte Rheinische Zeitung, zuständig. Seine ausführlichen Berichte reflektieren die Ressentiments zwischen den Einheimischen und den zugezogenen Beamten und Militärs aus den preußischen Provinzen östlich der Elbe. Sie zeugen von zum Teil ambivalenten Selbstwahrnehmungen und Fremdbildern und einer sich entfaltenden politische Öffentlichkeit im Vormärz.
Quelle: Hansen, Joseph (Bearb.): Rheinische Briefe und Aktenzur Geschichte der politischen Bewegung, Bd. 1 1830–1845, Köln/Bonn 1997 (ND 1919), S. 498, Nr. 216 und S. 549, Nr. 240.
Alfred von Reumont (1808–1887) gehörte einer Aachener Patrizierfamilie an, die ursprünglich aus Lüttich stammte. Er war als Historiker, Schriftsteller und preußischer Gesandter in Florenz tätig und prägte die deutsche Wahrnehmung des italienischen Staatsbildungsprozesses im 19. Jahrhundert maßgeblich.
Quelle: Reumont, Alfred von: Jugenderinnerungen, hrsg. v. Hermann Hüffer, in: AHVN 77 (1904) S. 1–239, hier S. 59f.
Carl Schurz (1829–1906) wurde in Liblar, in der Nähe von Köln, geboren und beteiligte sich 1848/49 als junger Vertreter der demokratischen Bewegung an den revolutionären Aufständen in Deutschland und musste aus politischen Gründen emigrieren. In der zweiten Jahrhunderthälfte lebte er in den USA und übte zwischen 1877 und 1881 das Amt des amerikanischen Innenministers unter der Präsidentschaft Rutherford B. Hayes aus.
Quelle: Schurz, Carl: Lebenserinnerungen Bd. 1 (1906), S. 73–75. Online unter URL: http://estories.x10.mx/heimat-und-vorfahren-erste-jugendjahre/ aufgerufen am 13.6.22.