Die Vertreter der großen rheinischen Provinzstädte in den Nationalversammlungen 1848/49
Rheinische Abgeordnete in der "deutschen" Nationalversammlung in Frankfurt am Main
Rheinische Abgeordnete in der "deutschen" Nationalversammlung in Frankfurt am Main
1. AACHEN
Wilhelm Smets (*15. September 1796 Reval, † 14. Oktober 1848 in Aachen) wurde am 27. Juni 1848 zum Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung für die Stadt Aachen als Stellvertreter des neuernannten Finanzministers David Hansemann gewählt und musste bereits am 24. Juli 1848 wegen einer schweren Erkrankung zurücktreten.
Wilhelm Smets wurde 15. September 1796 als Sohn des Theaterdirektors, Hofrats und Richters Johann Nicolaus Smets (*1764 zu Eynatten bei Eupen) und der Schauspielerin Sophie Antonie Bürger (*1781 † 1868) in Reval (Estland) geboren. Nachdem die Ehe seiner Eltern bereits 1799 geschieden wurde, begann seine Mutter unter dem Künstlernamen Antoinette Sophie Luise Schröder eine Karriere als Sängerin und Schauspielerin in Prag, Wien und München. Der junge Smets besuchte die Gymnasien in Bonn und Aachen, trat 1815 in die niederrheinische Freiwilligenscharr ein und nahm im 3. Rheinischen Landwehrregiment an den sogenannten Befreiungskriegen teil. Ab 1819 studierte er Katholische Theologie in Münster, Bonn und am Priesterseminar Köln. Am 8. Mai 1822 empfing er dort die Priesterweihe und war zunächst als Domkaplan und Sonntagsprediger sowie als Religionslehrer am Marzellengymnasium tätig. Zwischen 1826 und 1828 gab er die „Katholische Monatsschrift zur Belehrung, Erbauung und Unterhaltung“ und somit eine der ersten katholischen Zeitschriften im Rheinland heraus. In den darauffolgenden vier Jahren war er Pfarrer in Hersel. Zwischen 1832 und 1835 übernahm er die Position des Oberpfarrers in Münstereifel. Anschließend war er für jeweils zwei Jahre in Nideggen und Blatzheim tätig. 1837 trat er in den Ruhestand, um sich seinen literarischen Tätigkeiten zu widmen. Er schrieb Gedichtbände, Erbauungsliteratur und beteiligte sich als Feuilleton-Redakteur an der überregional gelesenen Kölnischen Zeitung. Nach einem Besuch in Rom wurde ihm 1844 das Amt des Kanonikus am Collegialstift Aachen verliehen. Als angesehener Domkaplan setzte er sich für die Presse- und Meinungsfreiheit sowie für die katholische Kirche ein. Er verstarb am 14. Oktober 1848 und wurde feierlich auf dem Aachener Ostfriedhof bestattet. (Best, S. 322)
Jacob Hermann Joseph Müller (* 18. Oktober 1803 in Werden, † 26. Mai 1876 in Aschaffenburg) war vom 1. September 1848 bis zum 14. Mai 1849 als Nachfolger des verstorbenen Abgeordneten Wilhelm Smets Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung für die Stadt Aachen. Er stimmte gegen die Wahl Friedrich Wilhelms IV. zum Kaiser der Deutschen und gehörte u.a. der Kommission für die Anordnung zur Totenfeier für Robert Blum an.
Müller wurde am 18. Oktober 1803 in Werden an der Ruhr geboren und studierte zwischen 1821 und 1825 Rechtswissenschaften in Bonn, Münster und Heidelberg. Anschließend schlug er die Beamtenlaufbahn ein wurde 1830 zum kommissarischen Landrat von Euskirchen ernannt. Nachdem ihm die königliche Bestätigung seines Amtes verwehrt wurde, trat er 1833 aus dem Staatsdienst aus und arbeitete als freier Schriftsteller. 1837 erhielt er die Doktorenwürde der Universität Göttingen. Zwei Jahre später wurde er in München promoviert und als Professur für Rechtswissenschaften an die Universität Würzburg berufen. Nach der Revolution war er u.a. als Redakteur der katholischen Zeitschrift „Deutschen Volkshalle“ in Köln tätig, im katholischen Vereinswesen aktiv und galt als Vertreter des Ultramontanismus. 1852 erfolgte seine Ausweisung aus Preußen aufgrund staatskritischer Schriften, sodass er sich vorrübergehend in Erbach (Hessen) niederließ. Von 1856 bis 1868 vertrat er die Professur für Philologie in Würzburg. Seinen Ruhestand verbrachte er mit seiner Familie in Aschaffenburg. Die Stadt Aachen besuchte er noch einmal im Jahr 1862 anlässlich des Katholikentages. (Best, S. 245f.)
2. DÜSSELDORF
Hugo Wesendonck (* 24. April 1817 in Elberfeld, † 19. Dezember 1900 in New York City, ev.) gehörte dem Vorparlament, der Nationalversammlung sowie der zweiten Kammer des preußischen Landtags an. In seiner Abgeordnetentätigkeit in der Paulskirche vom 18. Mai 1848 bis zum 18. Juni 1849 vertrat er demokratische Ideale in den Fraktionen „Deutscher Hof“ und „Donnersberg“ für die Stadt Düsseldorf. Nach der Revolution emigrierte er in die USA.
Wesendonck wurde 1817 als Sohn des Kaufmanns August Wesendonck geboren und besuchte das Gymnasium in Elberfeld. Er studierte von 1834 bis 1837 Rechtswissenschaften in Bonn und Berlin und trat in die Burschenschaft Corps Saxonia Bonn ein. Seine Juristenausbildung fand zwischen 1837 und 1841 am Landgericht Elberfeld statt. Anschließend war er als Advokatanwalt in Düsseldorf tätig. In der Revolution gehörte er dort u.a. zu den Mitinitiatoren des „Vereins für demokratische Monarchie“ und wurde zum Schriftführer des „Zentralmärzvereins“ gewählt. Am Ende des Jahres 1849 flüchtete er über die Schweiz in die USA und wurde 1850 in Abwesenheit wegen Hoch- und Staatsverrats zum Tode verurteilt. In Philadelphia konnte sich eine neue Existenz als Manufakturwarenhändler aufbauen bevor er von 1860 bis zu seinem Tod 1900 die Germania Lebensversicherungsgesellschaft in New York leitete. (Best, S. 356f.)
3. KOBLENZ
Franz Peter Adams sen. (* 17. Februar 1800 Springiersbach, † 21. August 1868 in Koblenz, kath.) vertrat die Stadt Koblenz im Vorparlament und in der Frankfurter Nationalversammlung vom 18. Mai 1848 bis 9. Oktober 1848 in der Casino-Fraktion. Er trat von seinem Mandat zurück, nachdem sein Wohnhaus am Abend des 19. Septembers 1848 von unzufriedenen Bevölkerungsgruppen angegriffen wurde, weil er am 26. August 1848 in der Nationalversammlung dem Waffenstillstand von Malmö zugestimmt hatte.
Adams wurde als Sohn des Notars Johannes Adams aus Merl (Mosel) in Springiersbach geboren und absolvierte von 1818 bis 1821 ein Studium der Rechtswissenschaften in Heidelberg und Bonn. Er nahm am Wartburgfest teil und wurde Mitglied der Alten Bonner Burschenschaft. Anschließend war er als Assessor und Friedensrichter in Hermeskeil tätig und heiratete am 19. Februar 1826 Elisabeth Lenné, die Schwester des Gartenbauarchitekten Peter Josef Lenné. Gemeinsam hatten sie sieben Kinder, von denen Clemens Josef Adams zeit seines Lebens Bürgermeister in Bad Honnef wurde.
Adams wurde nach einer dreijährigen Tätigkeit als Advokatanwalt 1834 zum Justizrat am Landgericht Koblenz ernannt und übte dieses Amt bis zu seinem Tod am 21. August 1868 aus. 1845 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Borromäusvereins und des katholischen Männervereins in Koblenz. Er wurde mit der Einführung einer neuen Gemeindeordnung 1846/47 von der dritten Wählerklasse zum Mitglied des Koblenzer Gemeinderats gewählt und konnte dieses Ehrenamt nicht antreten, seil sein Vorgesetzter beim Landgericht ihm die Zustimmung verwehrte. In der Nationalversammlung in Frankfurt beteiligte er sich am Ausschuss für die Priorität der Petitionen und für die Begutachtung der Wahlen in Thiengen und Konstanz. Nach der Revolution engagierte er sich ab 1855 im Vorstand des katholischen Pressvereins in Köln. (Best, S. 79f.)
Philipp Caspers (* 18.12.1812 Koblenz, † 4.6.1883 Koblenz, kath.) beteiligte sich am Vereinigten Landtag, dem Vorparlament und zog als stellvertretendes Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung nach dem Ausscheiden des Abgeordneten Adams am 23. Oktober 1848 für die Stadt Koblenz in die Paulskirche ein. Bis zum 30. Mai 1849 gehörte er der Fraktion Westendhall an.
Caspars wurde am 18. Dezember 1812 als Sohn des Kaufmanns Philipp Caspers geboren und stieg in das Handelsgeschäft seines Vaters ein. Mit der Einführung der neuen Gemeindeordnung für die Rheinprovinz wurde er 1846 von der zweiten Wählerklasse zum Stadtrat seiner Heimatstadt bestimmt. Er übte dieses Ehrenamt fast vier Jahrzehnte bis zu seinem Tod am 4. Juni 1883 aus und amtierte zwischen 1875 und 1883 als Beigeordneter. Von 1862 bis 1867 nahm er seine parlamentarischen Tätigkeiten als Mitglied der Fortschrittspartei im preußischen Abgeordnetenhauses vorrübergehend wieder auf. (Best, S. 114)
4. KÖLN
Franz Raveaux (* 29. April 1810 in Köln, † 13. September 1851 in Laeken bei Brüssel, kath.) war ein populärer demokratischer Abgeordneter der Stadt Köln, nahm am Vorparlament, an der Frankfurter Nationalversammlung und am badischen Aufstand 1849 teil.
Raveaux wurde am 29. April 1810 als Sohn des gebürtigen Franzosen Pièrre Raveaux und Anna Maria Maaß in Köln geboren. Er besuchte die Handelsschule der Gebrüder Schuhmacher und das kölnische Karmeliter Gymnasium. 1827 trat er als Dragoneroffizier in die preußische Armee ein und musste diese Laufbahn nach nur drei Jahren wegen eines Duells wieder beenden. Anschließend nahm er am Unabhängigkeitskrieg Belgiens gegen die Niederlande und am ersten Carlistenkrieg in Spanien teil. Bei seiner Rückkehr 1837 wurde er zu drei Wochen Arrest verurteilt. In den darauffolgenden Jahren heiratete er die Kaufmannstochter Brigitte Neunkirchen und betätigte sich als Kaufmann in Köln und Blankenheim. 1843 eröffnete Raveaux eine Zigarrenfabrik und wurde zum Präsident der „Allgemeinen Carnevals-Gesellschaft Cöln“ gewählt. In dieser Funktion gelangte er als Büttenredner zu großer Berühmtheit, sodass er 1846 mit der Einführung der Gemeindeordnung für die Rheinprovinz einen Sitz im Gemeinderat für die dritte Wählerklasse erhielt. In der Revolution vertrat er demokratische Grundsätze und gehörte dem Märzverein an. Den badischen Aufstand unterstützte er als Stadtkommandant von Mannheim und Mitglied der provisorischen Regierung Baden. Nach der blutigen Niederschlagung des Aufstands flüchtete Raveaux über die Schweiz nach Frankreich und ließ sich in Belgien nieder. Kurz vor seinem Tod am 13. September 1851 wurde er in Köln wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. (Best, S. 272f.)
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5. TRIER
Ludwig Gerhard Gustav Simon (* 20. Februar 1819 in Saarlouis, † 2. Februar 1872 in Montreux, kath.) wurde für die Stadt Trier in das Vorparlament und in die Frankfurter Nationalversammlung entsendet. Er gehörte dem Märzverein, dem Deutschen Hof bzw. der Fraktion Donnersberg an und vertrat entschieden demokratische Ansichten.
Ludwig Simon wurde am 20. Februar 1819 in Saarlouis als jüngster Sohn des Gymnasiallehrers Thomas Simon (1794-1869) und Susanne Auguste Walther geboren. Er besuchte das Gymnasium in Trier gemeinsam mit Karl Marx und studierte ab 1837 Rechtswissenschaften in Bonn. Ein Jahr später gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Burschenschaft Corps Palatia Bonn. Im Jahr 1839 trat er als Referendar am Landgericht Trier in den Justizdienst ein. Nach dem Militärdienst 1845/46 erlangte er kurz vor dem Ausbruch der Revolution 1848 seine Zulassung als Advokatanwalt.
1848/49 wurde Simon Mitglied des Fünfziger-Ausschusses und nahm sowohl am Frankfurter Aufstand als auch am badischen Aufstand teil. Er flüchtete in die Schweiz und wurde 1851 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. In Genf, Bern, Lausanne und Nizza war er zunächst als Publizist tätig, bevor 1855 als Kommis bzw. Prokurist im Bankhaus Koenigswarter in Paris eine lukrative Anstellung fand. 1866 eröffnete er dort ein eigenes Bankhaus. 1870 gab er seine Geschäfte auf und zog sich mit seiner Ehefrau Marie Schmidlin nach Montreux zurück. (Best, S. 320f.)
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Rheinische Abgeordnete in der "preußischen" Nationalversammlung in Berlin
Rheinische Abgeordnete in der "preußischen" Nationalversammlung in Berlin
1. AACHEN
Franz Constantin Jungbluth (*4.10.1809 Aldenhoven † 28.12.1872 Aachen, kath.) studierte Rechtswissenschaften und trat 1845 als Advokatanwalt in Aachen in die Fußstapfen seines Vaters, des Justizrats und Stadtrats Franz Heinrich Jungbluth (1775–1846). 1848 wurde er mit 70 von 97 Stimmen zum Abgeordneten für die Stadt Aachen in der preußischen Nationalversammlung in Berlin gewählt. Er war mit Wilhelmine Josefine Hubertine Abels (1817–1865) verheiratet, Mitglied des Aachener Gemeinderats und erster Präsident des Karlsvereins. (Stadt-Aachener Zeitung 86/26.3.1848, 130/9.5.1848)
2. DÜSSELDORF
Anton Bloem (* 9.11.1814 Wesel, † 5.2.1884 Berlin) studierte Rechtswissenschaften in Bonn und Heidelberg, trat 1833 in das Corps Guestphalia Bonn und ließ sich 1842 als Advokatanwalt in Düsseldorf nieder. In der Revolution gehörte er dem Verein für demokratische Monarchie in Düsseldorf an und vertrat die Stadt in der preußischen Nationalversammlung in Berlin. In der zweiten Jahrhunderthälfte erlangte er als Rechtsbeistand zahlreicher „Revolutionärer“ wie Ferdinand von Lassalle große Bekanntheit. (Horst Heidermann: Anton Bloem (1814-1884). Anwalt der Demokraten. In: Düsseldorfer Jahrbuch 76 (2006), S. 111–149)
3. KOBLENZ
Matthias Joseph Raffauf (*5.4.1798 Koblenz, †14.4.1873 Wolken, kath.) wurde 1798 als Sohn von Georg Josef Raffauf und Maria Veronika Hasslacher in Koblenz geboren. Er erwarb einen Gutshof in Wolken und begann seine Abgeordnetentätigkeit mit einem Mandat im rheinischen Provinziallandtag. Ab 1843 vertrat er den 4. Stand des Wahlkreises Koblenz. Er war Mitglied des Vereinigten Landtags und der preußischen Nationalversammlung in Berlin. (Torunsky, Vera, Die Abgeordneten der Rheinischen Provinziallandtage und ihre Stellvertreter 1825-1888, Köln/ Bonn 1998)
4. KÖLN
Johannes von Geissel (* 5.2.1796 Gimmeldingen † 8.9.1864 Köln, kath.) wurde 1796 als Sohn des Winzers Nikolaus Geissel und seiner Ehefrau Maria Helena Theresa Motzenbäcker geboren. Er besuchte das Lyzeum in Mainz und wurde dort 1818 zum Priester geweiht. Von 1837 bis 1841 war er Bischof in Speyer. 1839 erhielt er das Ritterkreuz des Verdienstordens der Bayerischen Krone und den damit verbundenen persönlichen Adelstitel durch König Ludwig I. von Bayern. Zwei Jahre später wurde er zunächst zum Koadjutor des Erzbischofs von Köln Clemens August Droste zu Vischering ernannt, bevor er 1845 dessen Nachfolge antrat. Er war zwischen dem 22. Mai und 5. Dezember 1848 Abgeordneter der preußischen Nationalversammlung in Berlin für die Stadt Köln.
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5. TRIER
Karl Leopold Wencelius (*31.5.1808 Köln, †4.4.1864, kath.) begann als Sohn des Kölner Tabakfabrikanten und Weinhändlers Johann Friedrich Wencelius 1824 ein Medizinstudium in Bonn, Heidelberg und Berlin. Ab 1832 war er als praktischer Arzt in Trier tätig. 1848 wurde er als Präsident des Demokratischen Vereins zum Mitglied der preußischen Nationalversammlung in Berlin gewählt. Im Parlament vertrat er bis zum 31. Oktober 1848 entschieden freiheitliche Ansichten (Böse, S. 169f.).
Literatur
Best, Heinrich/Weege, Wilhelm: Biographisches Handbuch der Abgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49. Düsseldorf 1998.
Böse, Heinz-Günther: Köpfe der Revolution von 1848/49 in Trier und im Trierer Raum – Biographien – in: Dühr, Elisabeth (Hg.), „Der schlimmste Punkt in der Provinz.“ Demokratische Revolution 1848/49 in Trier und Umgebung, Trier 1998, S. 136-216.