Das Kölner Opernhaus von Carl Moritz 1899-1902
In der heutigen Kölner Komödienstraße wurde 1782 durch wohlhabende Bürger ein erstes Theatergebäude errichtet, welches 1828/29 durch einen Neubau ersetzt wurde. Dieses Theater brannte 1859 ab, ebenso der Nachfolgebau von 1862 im Jahr 1869. 1872 wurde an der Glockengasse nach Plänen des Stadtbaumeisters Julius Carl Raschdorff ein neuer Bau für 1.800 Besucher eröffnet. Doch dieses Theater genügte bald nicht mehr den gestiegenen Anforderungen, die aus der Vergrößerung der Stadt, dem wachsenden Fremdenverkehr und den erhöhten Ansprüchen des Publikums erwuchsen. 1896 beschloss die Stadtverordnetenversammlung, sich mit der Errichtung eines zweiten Theaters zu befassen.
Als Bauplatz war ein Grundstück in der Kölner Neustadt an der Ringstraße (gegenüber des Rudolfplatzes mit dem Hahnentor) freigehalten worden, welche ab 1881 nach Plänen des Stadtplaners Josef Stübben angelegt und – dem Wiener Vorbild folgend – repräsentativ gestaltet wurde. Dieser zu kleine Bauplatz (durch Habsburgerring, Aachener -, Engelbert- und Richard-Wagner-Straße begrenzt) wurde jenseits der Engelbertstraße um ein dreieckiges Grundstück erweitert.
Gegen den Vorschlag der Stadtverwaltung, nur drei auswärtige auf Theaterbau spezialisierte Architekten zu einem Wettbewerb einzuladen, wandte sich der niederrheinische Architekten- und Ingenieurverein mit der Warnung vor einem Spezialistentum, das sich schablonenhaft wiederhole. Die Stadtverordnetenversammlung schloss sich diesen Ideen an und für den nun offenen Wettbewerb wurden 41 Arbeiten eingereicht. Das Preisgericht, u.a. bestehend aus Stübben und dem Architekten Friedrich von Thiersch, favorisierte den Entwurf des Regierungsbaumeisters Carl Moritz (1863‒1944), der zuvor seine Stellung als Kölner Stadtbauinspektor aufgegeben hatte, um an dem Wettbewerb teilnehmen zu können, empfahl aber auch den Ankauf zwei weiterer Arbeiten, von denen einer von dem Theaterbauspezialisten Heinrich Seeling aus Berlin stammte und der zuvor u.a. das Essener Theater errichtete und das Aachener Theater umbaute.
Moritz versuchte, durch Diagonalstellung eine maximale Tiefe des Gebäudes zu erreichen. Die zum Ankauf empfohlenen Projekte verließen – entgegen des geforderten Programms – die direkte Lage an der Aachener Straße und rückten das Haus an die entgegengesetzte Kante zur Richard-Wagner-Straße, weil hier der unregelmäßige Bauplatz am ehesten die nötige Tiefe aufwies, die ein modernes Theater für seine bühnentechnischen Einrichtungen wie Hinterbühne und Magazine benötigt. Damit war allerdings der städtebauliche Makel entstanden, dass sich der Bau nicht mehr direkt an der Straßenkreuzung befand und nur von wenigen Standpunkten aus überschaut werden konnte. Es zeigte sich außerdem, dass in jedem Fall nicht genügend Raum vorhanden war, dem Theater einen repräsentativen Platz voranzustellen.
Die Stadt lud die ersten zwei Preisträger und die Planer der zum Ankauf empfohlenen Projekte zu einem engeren Wettbewerb ein. Das Preisgericht entschied sich erneut für Moritz. Dieser platzierte seinen Entwurf nun auch mit der Hauptfassade gegen den Habsburgerring direkt an die Richard-Wagner-Straße mit einer Überbauung der Engelbertstraße, die durch einen Tunnel unter der Hinterbühne hindurchführte. In der Ecke zur Aachener Straße plante Moritz einen Konzertgarten.
Im November 1899 begannen die Bauarbeiten, am 7. September 1902 wurde das Theater mit dem dritten Akt aus Wagners Die Meistersinger von Nürnberg eröffnet. Mit seiner Grundfläche von 5.950 m² stellte das „Neue Stadttheater“ zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung den größten Theaterbau Deutschlands dar. Nach der Eröffnung blieb der inzwischen in städtischen Besitz übergegangene Raschdorff-Bau weiter in Betrieb. Seit 1906 wurde der Neubau „Opernhaus“ und der Altbau „Schauspielhaus“ genannt.
Das Opernhaus war ein Bau in hellem Sandstein und neubarocken Formen, dessen Zweck der Bauteile sich in der Außengliederung wiederfand. Deutlich verwies der Bühnenturm auf die Funktion als Theater und ebenso war das Zuschauerhaus mit segmentförmiger Schmalseite, dem Zuschauerraum folgend, von außen sichtbar. Beide Teile wurden durch einen niedrigeren Baukörper umfasst. Dessen Vorderfassade folgte in ihrer konvexen Ausbildung der Form des Zuschauerraumes, so wie es die beiden Theaterbauten von Gottfried und Manfred Semper in Dresden (1841 und 1878) taten, was letztlich – römischen Vorbildern folgend – auf Georg Mollers Schöpfung des Mainzer Stadttheaters (1833) zurückging.
Die Vorderfassade war in 11 Achsen gegliedert, im Erdgeschoss befanden sich sieben Rundbogenöffnungen als Eingang zur dahinterliegenden Arkade, darüber lagen sieben hohe gesprosste Rundbogenfenster. Seitlich der mittleren drei Achsen rhythmisierten hohe Mauernischen die Front, die Ecken wurden durch viereckige Treppenhaustürme betont, in denen Schachteltreppen zu den beiden obersten Rängen führten. Abgeschlossen wurde die Vorderfront durch eine Balustrade vor einer Dachterrasse, hinter der sich das mit einem Schweifgiebel geschmückte Zuschauerhaus erhob. Seitlich traten die Treppenhäuser zum „Balkon“ (wie in Köln der I. Rang genannt wurde) aus der Fassade hervor.
Das Theater war mit reichem Bauschmuck versehen. Unter der Balustrade fanden sich Charaktermasken bekannter dramatischer Figuren wie Medea oder König Lear, das Relief im Schweifgiebel zeigte eine Personifikation der Begeisterung und des Ruhmes, darüber fanden sich auf den Spitzen des Bühnenturmgiebels Gruppen, die die Macht der Musik versinnbildlichten. In den beiden Nischen der Hauptfassade wurden Allegorien der Musik und der Mimik aufgestellt. Seitlich des Bogengangs lagen die Zugänge zur Galerie, hinter der Arkade betrat man die bogenförmige Eingangshalle mit den Kassenschaltern. Hier deuteten zwei große Atlanten auf die in den Dienst der Kunst gestellten Naturkräfte hin. An den Seiten der Halle befanden sich die Verteilerräume zu den Treppen zum I. und II. Rang sowie die besonders repräsentativ gestalteten zum Balkon. Um den Zuschauerraum führten breite Umgänge mit großen Garderobenanlagen. Auf Höhe des Balkons lag das Hauptfoyer, das sich durch Bögen hindurch bis in den Vorbauteil der Hauptfassade hinein erstreckte. Der Umgang des I. Rangs öffnete sich als Galerie in das Foyer, welches ringsum unter der Decke durch einen Gemäldezyklus geschmückt war, der die Geschichte der Menschheit darstellte. Ein weiteres kleines Foyer befand sich über dem Hauptfoyer in Höhe des obersten Rangs, der Galerie. Der Zuschauerraum mit drei Rängen und der amphitheatralischen Galerie fasste 1.806 Plätze und wurde durch ein Deckengemälde (Prometheus bringt den Menschen den göttlichen Funken der Kunst) sowie vier großen Wandbilder mit Ideallandschaften geziert. Der Hauptvorhang zeigte Colonia, die wichtigsten Opern- und Dramenfiguren empfangend.
Das Kölner Opernhaus begründete die Karriere von Carl Moritz als bedeutendem Theaterarchitekten. In den folgenden Jahren realisierte er die Theater in Barmen, Düren und Stralsund.
1934 wurde anstelle der vorderen Abschlussmauer des Konzertgartens ein Restaurationsgebäude errichtet und 1938 der Zuschauerraum und das Foyer entdekoriert. Im Mai 1944 wurde das Theater durch Bombenangriffe zum größten Teil zerstört. Obwohl es wieder hätte aufgebaut werden können, wurde es 1958 abgerissen. Heute steht an dieser Stelle ein Hotel.
Sascha M. Salzig M.A.
Literatur
Hiller, Carl H. (1986): Vom Quatermarkt zum Offenbachplatz: ein Streifzug durch vier Jahrhunderte musiktheatralischer Darbietungen in Köln. Köln: Bachem.
Kipper, Hermann (1902): Festschrift zur Eröffnung des neuen Stadt-Theaters zu Cöln. Köln: Cölner Verlags-Anstalt und Druckerei.
Zielske, Harald (1971): Deutsche Theaterbauten bis zum Zweiten Weltkrieg. Typologisch-historische Dokumentation einer Baugattung. Berlin: Selbstverlag der Gesellschaft für Theatergeschichte. (Schriften der Gesellschaft für Theatergeschichte 65.)