Von der "Besitzergreifung" bis zur Reichsgründung (1815-1871)
1815
Der Kongress spricht Preußen große Teile des Rheinlands und Westfalens zu (8. Februar).
Rückkehr Napoleons aus der Verbannung nach Frankreich (1. März), Wiederaufnahme des Koalitionskrieges.
König Friedrich Wilhelm III. bestimmt den Ausbau bzw. die Anlage von Festungen 1. Ranges um Koblenz-Ehrenbreitstein und Köln-Deutz (11. März).
Köln wird im Verlauf des 19. Jahrhunderts zur größten Festungsstadt des Deutschen Reiches ausgebaut.
Besitzergreifungspatente Friedrich Wilhelms III. für die preußischen Rheinlande (5. April).
Huldigung der preußischen Rheinlande gegenüber der Krone in Aachen (15. Mai).
Königliches Versprechen einer Verfassung und „Repräsentation des Volkes“ (22. Mai).
Schlacht bei Waterloo: Endgültiger Sieg unter dem Kommando Wellingtons und Blüchers über die Truppen Napoleons (18. Juni).
Zweiter Pariser Frieden. Die von Frankreich abzutretenden Saargebiete fallen an Preußen (20. November).
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Verbot der liberalen und preußenkritischen, von Joseph Görres herausgegebenen Koblenzer Zeitung „Rheinischer Merkur“.
Endgültige administrative Gliederung der preußischen Rheinlande in zwei Provinzen: „Jülich-Kleve-Berg“ (Regierungsbezirke Köln, Düsseldorf und Kleve, 1821 zu Düsseldorf) sowie „Großherzogtum Niederrhein“ (Regierungsbezirke Aachen, Koblenz und Trier).
Einsetzung der „Rheinischen Immediat-Justiz-Kommission“ zur Beratung über die Rechtsverfassung der Rheinprovinzen.
1816/17
Hunger- und Teuerungskrise aufgrund einer Verknappung von Grundnahrungsmitteln durch extrem schlechtes Wetter. 1816 wurde als „Jahr ohne Sommer“ bezeichnet.
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Einführung der „Evangelischen Kirche in Preußen“ durch König Friedrich Wilhelm III., die Lutheraner und Reformierte zusammenschloss; ab 1866 „Evangelische Kirche der altpreußischen Union“, da sie nicht in den neupreußischen Gebieten galt.
1817/18
„Verfassungskampagne“ in den Rheinprovinzen. Petitionen und Adressen mit konstitutionellen Forderungen zahlreicher Städte an den König.
1818
Erstes Niederrheinisches Musikfest in Düsseldorf. Im jährlichen Wechsel auch in Aachen, Köln und Elberfeld.
Aufhebung der Universität Duisburg, Bibliothek und Insignien gehen an die neu gegründete „Preußisch Rheinische Universität“ in Bonn, 1828 in „Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität“ umbenannt.
Verordnung König Friedrich Wilhelms III. aufgrund des Gutachtens der Justiz-Kommission: Beibehaltung der französischen Rechts- und Gerichtsordnung in den linksrheinischen Gebieten und im ehemaligen Hgtm. Berg bis zu einer Revision der gesamtpreußischen Rechtsverfassung.
1819
Der Rheinische Revisions- und Kassationshof nimmt als zweites preußisches Obergericht und höchste Instanz für das Rheinische Recht seine Arbeit in Berlin auf.
Eröffnung des Rheinischen Appellationsgerichtshofes zu Köln als höchstes provinziales Gericht für das Rheinische Recht.
Verfolgung von „Demagogen“, Berufsverbote und Pressezensur nach den Karlsbader Beschlüssen.
Friedrich Wilhelm III. gründet die Königlich-Preußische Kunstakademie in Düsseldorf.
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Gründung des „Museums vaterländischer Alterthümer“ in Bonn.
1822
„Großherzogtum Niederrhein“ und „Jülich-Kleve-Berg“ werden unter nur noch einem Oberpräsidium in Koblenz administrativ zu einer Provinz vereint. Um 1830 setzt sich die Bezeichnung „Rheinprovinz“ durch.
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Gründung des „Festordnenden Comitees Karneval“ in Köln.
1826
Der erste Provinziallandtag der Rheinprovinz tritt in Düsseldorf zusammen. Das aktive und passive Wahlrecht ist an Stand, Geschlecht, Grundbesitz und Konfession gebunden. Nur etwa 100.000 christliche Männer ab 24/30 Jahren sind wahlberechtigt, ca. 4 % der Gesamtbevölkerung.
1829
Gründung des Kunstvereins für Rheinland und Westfalen.
1830
Stapellauf des ersten deutschen Rheindampfers „Stadt Mainz“, erbaut auf der Schiffswerft der „Hüttengesellschaft Jacobi, Haniel & Hyssen“ in Ruhrort.
1830/31
Errichtung der ersten preußischen Handelskammern in Elberfeld, Düsseldorf und Koblenz.
1833
Rheinreise Kronprinz Friedrich Wilhelms und des Geheimen Oberbaurats Karl Friedrich Schinkel.
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Kirchenordnung für die evangelischen Gemeinden der Provinz Westfalen und der Rheinprovinz. Gewährung einer eingeschränkten Synodalverfassung nur für die Westprovinzen.
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Höhepunkt des „Kölner Kirchenstreits“. Verhaftung des Erzbischofs Clemens August Freiherr Droste zu Vischering und Arretierung in der Festung Minden.
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Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861) wird König von Preußen.
„Rheinkrise“ durch französische Ansprüche auf die linksrheinischen Gebiete. Nicolaus Becker dichtet sein populäres Rheinlied „Sie sollen ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein“. Max Schneckenburger dichtet die „Wacht am Rhein“, vertont von Carl Wilhelm 1854.
1841
Eröffnung der Köln-Aachener Eisenbahn und erster Bahnanschluss an die westeuropäischen Länder.
1842
Dombaufest mit Grundsteinlegung zum Weiterbau des Kölner Doms durch Friedrich Wilhelm IV.
Karl Marx übernimmt die Redaktion der bürgerlich-liberalen „Rheinischen Zeitung“.
1843
Antrag des rheinischen Provinziallandtags an den König auf bürgerliche Gleichstellung der Juden. Diese wird in Preußen und im Norddeutschen Bund erst 1869 gesetzlich verankert.
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Einführung der Rheinischen Gemeindeordnung mit einheitlicher Verfassung für Stadt- und Landgemeinden und dem Dreiklassenwahlrecht für die Wahl zum Gemeinderat.
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Martinskirmes in Köln, blutige Zusammenstöße zwischen Bevölkerung und Militär.
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Einberufung der Mitglieder aller Provinziallandtage zum Vereinigten Landtag nach Berlin. Verweigerung der vom König beantragten Zustimmung zu einer Staats-Anleihe durch die liberale Mehrheit des Vereinigten Landtages, Schließung durch den König im Juni.
Eröffnung der Köln-Mindener Eisenbahn auf der Gesamtstrecke über Duisburg und Dortmund.
1848
Februarrevolution in Paris.
Volksversammlungen, Unruhen, konstitutionelle und demokratische Forderungen, Gründungen politischer Vereine zunächst in der Rheinprovinz.
Zusammentritt der frei gewählten Preußischen und Deutschen Nationalversammlungen in Berlin und Frankfurt am Main.
Die rheinischen Liberalen Ludolf Camphausen und David Hansemann werden preußischer Ministerpräsident und Finanzminister (29. März) und sehen sich im Juli bzw. September wieder zum Rücktritt veranlasst.
Aufruf der preußischen Nationalversammlung zur allgemeinen Steuerverweigerung.
1849
Ablehnung der deutschen Wahl-Kaiserwürde und der Reichsverfassung durch Friedrich Wilhelm IV.
Unruhen und Straßenkämpfe mit preußischem Militär in etlichen Städten der Rheinprovinz.
Niederwerfung der Aufstände in Baden und der Pfalz durch Truppen des Deutschen Bundes unter dem Oberbefehl des Prinzen Wilhelm von Preußen.
Einnahme der Festung Rastatt durch preußische Truppen, Standgerichte und Strafverfahren.
Endgültige Niederschlagung der Revolution in Deutschland.
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Friedrich Wilhelm IV. erlässt eine Verfassung (revidierte Version von 1848), die weitgehend liberale Forderungen erfüllt und eine nationale Vertretung in zwei Kammern vorsieht: Herrenhaus (Mitgliedschaft per Geburt oder königlicher Ernennung) und Abgeordnetenhaus (Wahl nach Dreiklassenwahlrecht).
Die Krone behält weitgehende Vorrechte gegenüber dem Parlament. DieVerfassungbleibt im Wesentlichen bis 1918 bestehen.
Prinz Wilhelm von Preußen wird Generalgouverneur der beiden Westprovinzen mit Residenz in Koblenz.
1852
Reaktion in Preußen mit Einschränkungen der verfassungsmäßig garantierten Presse- und Versammlungsfreiheit.
Prozess gegen 13 Mitglieder der Kölner Sektion des „Bundes der Kommunisten“ in Köln. Vier Freisprüche, Verurteilung der übrigen Angeklagten zu drei- bis sechsjähriger Festungshaft, darunter Hermann Becker, 1875-1885 Oberbürgermeister von Köln.
1856
Inkrafttreten der Rheinischen Städteordnung und kommunalen Selbstverwaltung.
1858
Prinz Wilhelm von Preußen übernimmt die Regentschaft anstelle seines schwer erkrankten älteren Bruders Friedrich Wilhelm IV.
1859
Vorlage einer Heeresreform: Vergrößerung des aktiven Friedensheeres auf ca. 200.000 Mann, Zurückstufung der Landwehr, dreijährige (statt zweijähriger) Dienstzeit.
Ablehnung der Heeresreform durch die liberale Mehrheit des preußischen Landtages.
Erste Eisenbahnbrücke über den Rhein in Köln.
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Eskalation des Streites über die Heeresreform zum Verfassungskonflikt. Machtkampf zwischen Krone und Parlament bis 1866.
1861
Wilhelm I. (1797-1888) wird König von Preußen.
Gründung der Deutschen Fortschrittspartei mit zahlreichen rheinischen Liberalen und Demokraten. Die Partei fordert Verantwortlichkeit der Regierung gegenüber dem Parlament.
1863/64
Krieg Österreichs und Preußens gegen Dänemark um das Herzogtum Schleswig.
1866
Sieg Preußens im Krieg gegen Österreich und dessen deutsche Verbündete. Auflösung des Deutschen Bundes, Rückzug Österreichs aus den deutschen Verhältnissen, großer Gebietserwerb Preußens nördlich des Mains.
Durch Annexion des Königreichs Hannover besteht erstmals eine durchgehende Landverbindung zwischen den östlichen und westlichen Provinzen Preußens.
Spaltung der Liberalen im Abgeordnetenhaus über die Indemnitätsvorlage (nachträgliche Billigung von Bismarcks Regierung ohne bewilligtes Budget).
Verabschiedung der Indemnität, Gründung der Nationalliberalen Partei.
1867
Gründung des Norddeutschen Bundes. Vereinigung aller deutschen Staaten nördlich der Mainlinie unter preußischer Führung.
1870
Eröffnung der Königlich Rheinisch-Westphälischen Polytechnischen Schule zu Aachen, heute RWTH.
Gründung einer katholischen Volkspartei. Zusammenschluss von 48 Mitgliedern des preußischen Abgeordnetenhauses, die meisten aus dem Rheinland und Westfalen, zur „Fraktion des Zentrums“ (13. Dezember).
1870/71
Deutsch-Französischer Krieg.
Proklamation Wilhelms I. zum Deutschen Kaiser im Spiegelsaal des Versailler Schlosses (18. Januar).
Eröffnung des Reichstages in Berlin (21. März), gewählt nach einem modernen allgemeinen, gleichen und geheimen Männerwahlrecht (ab 25 J.). Der preußische Ministerpräsident Bismarck wird Reichskanzler.
Inkrafttreten der Reichsverfassung (4. Mai).
Frieden von Frankfurt zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich (5. Mai).